Maya Immaculata

Das Porträt MAYA nimmt in der Fotoserie UN JARDIN PENDANT LA MOUSSON, die im Sommer 2019 in Zusammenarbeit mit dem Maler Christoph Philipp Christoph Haas in Bangkok entstand, eine Sonderstellung ein. 

Im dämmerigen Halbdunkel eines tropischen Gartens, inmitten wild wuchernder Pflanzen, hat die Protagonistin ihren Blick nach oben gerichtet, in das Licht, das sich seinen Weg zwischen Baumkronen und dichtem Blattwerk auf ihr schweißnasses Gesicht gebahnt hat. Der Tag neigt sich dem Ende zu, ein gerade noch heller Himmel ist zwischen den Blättern spürbar, im Hintergrund glitzern und schimmern Lichtreflexe auf den feuchten Pflanzen, zwischen denen noch immer die dunstig-warme Luft des Tages zu stehen scheint. Genau so bleibt auch der Blick des Betrachters in der Vegetation regelrecht hängen – durch die Dichte des Bewuchses entzieht sich der Raum hinter der Portraitierten einer Tiefenwirkung. Das künstliche Licht ist sparsam gesetzt, es steht im Dienste der Modellierung der Figur, ohne die Dominanz des „Finsteren“ zu brechen.

Der Moment der kurz bevorstehenden Abenddämmerung ist bewusst gewählt – der Übergang vom Hellen ins Dunkle, vom Tag zur Nacht, der in den Tropen rasch und fast übergangslos vonstatten geht, ist jener Zeitraum, in dem die Gesetze des Tages bereits aufgehoben sind, während jene der Nacht noch nicht zur Gänze gelten. Ein Freiraum, der nicht nur fotografisch eine Herausforderung darstellt, sondern in seiner Undeterminiertheit auch Raum lässt für Interpretation und unerwartete Assoziationen.

Da ist zunächst Mayas im Schatten kaum auszumachende Bekleidung: der durch ein schmales Streiflicht modellierte Umhang und das darunter hervor schauende rote Kleid erinnern farblich an die abendländisch katholische Tradition der Mariendarstellung: blauer Mantel, rotes Untergewand. Vor allem aber Gestus und Haltung der Figur, ihr in Richtung Himmel erhobener Kopf, mit sehnsuchtsvollen, weit geöffneten Augen, finden sich ähnlich in Piero di Cosimos „Unbefleckte Empfängnis“, El Grecos „Inmaculada Concepción“ oder Carlo Marattis „Maria Immaculata“ und weisen deutlich auf den christlichen Topos der von der Erbsünde befreiten, „makellosen“ Gottesmutter hin. Nach katholischer Lehre ist Maria vor, bei und nach Jesu Geburt Jungfrau. Und hier: Als schwebte der Heilige Geist im Blättergewirr des Regenwaldes, um im nächsten Augenblick auf sie niederzufahren, sieht Maya nach oben – ruhig, andächtig, bereit.

Dieser Kontrast zwischen asexueller katholischer Frömmigkeit und ungezügeltem, tropischem Wachstum, zwischen Prüderie und üppiger Fruchtbarkeit, zwischen lustvoll feuchtem Halbdunkel und der Reinheit des göttlichen Lichts könnte größer nicht sein und macht für mich den besonderen Reiz dieses Portraits aus.

Unbefleckte Empfängnis, Piero di Cosimo, ca. 1505

Inmaculada Concepción, El Greco, 1607 - 1613

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