Lockdown Spring Nights

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In den finalen Momenten der HBO-Serie „True Detective“ (2014, Drehbuch Nick Pizzolatto) sagt der Protagonist Rust Cohle zu seinem ehemaligen Partner Marty Hart, der er ihn aus dem Krankenhaus holt: “Ich sag dir Marty, ich hab da oben in dem Zimmer gelegen und jede Nacht aus dem Fenster gestarrt und gedacht, es gibt nur eine Geschichte. Die älteste.“

„Welche denn?“, fragt Marty.

„Licht gegen Dunkelheit“, antwortet Rust.

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Als die Corona-Pandemie uns während des ersten Lockdowns dazu zwang, in den Häusern zu bleiben, änderte das nichts daran, dass es draußen wärmer wurde, zu sprießen, zu blühen und zu duften begann. Kurz, es wurde Frühling, und nach einem langen, kalten Winter verspürte ich, wie jedes Jahr, das unbändige Verlangen, nach draußen zu gehen, an die Luft, in die Sonne. Ins Licht. Da mir das jedoch verwehrt war, beschloss ich irgendwann, die Nachtstunden zu nutzen und zu Zeiten das Haus zu verlassen, zu denen ich sicher sein konnten, keine anderen Menschen anzutreffen. In diesen Nächten strahlten die Sterne heller als sonst, der Himmel schien klarer und die Luft reiner als gewohnt.

Und doch war die Welt, in die ich nun Nacht für Nacht eintauchte, eine völlig andere als jene, die man für gewöhnlich mit dieser Jahreszeit assoziiert. Das Bunte hatte sich ins Monochrome gewandelt, das Freundliche ins Düstere. Selbst die Farben jener Blüten und Blätter, die im Schein von Straßenlaternen aufleuchteten, waren verändert und wirkten ungewohnt, unnatürlich, künstlich. Fast schien es, als fände die Geschichte, von der Rust Cohle spricht, vor meinen Augen statt: der Kampf des Lichts, der Farben - der Schönheit, wenn man so will - gegen die Finsternis. 

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Dennoch, diese „zweite Welt“, dieser „andere Frühling“, der im Dunkeln stattfindet, hatte eine eigene Schönheit, eine Art gespenstische Eleganz, die ich versuchte fotografisch festzuhalten. Um dem offensichtlichen Kontrast zwischen dem natürlichen Vorgang des Aufblühens und seinem durch die künstliche Beleuchtung so artifiziellen Erscheinungsbild Rechnung zu tragen, änderte ich die Farben meiner Bilder teils ins Extreme. So gesehen ist LOCKDOWN SPRING NIGHTS vielleicht nichts anderes als der Versuch, das Schöne im Düsteren zu sehen - schließlich endet ja auch „True Detective“ positiv.

Marty: “Ich hab so den Eindruck, dass die Dunkelheit viel mehr Raum einnimmt.”

Rust: “Ja, da hast du absolut recht.”

Sie gehen zum Auto und Rust macht eine letzte Anmerkung.

Rust: “Weißt du, du siehst das falsch, die Sache mit den Sternen.“

Marty: “Inwiefern?”

Rust: “Früher gab es nur Dunkelheit. Wenn du mich fragst, gewinnt das Licht.“

Für mich die treffendste Definition von LOCKDOWN SPRING NIGHTS: Das Licht gewinnt.

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“I tell you Marty I been up in that room looking out those windows every night here just thinking, it’s just one story. The oldest.”

“What’s that?”

“Light versus dark.”

Dialogue between Marty Hart und Rust Cohle True Detective, Nick Pizzolatto (HBO, 2014)

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When the corona pandemic forced us all to stay in our homes during the first lockdown, that didn‘t change the fact that it was getting warmer outside, sprouting, blooming, and smelling wonderful.

In short, it was spring, and after a long, cold winter, as every year, I had an overwhelming desire to go outside, to the air, to the sun. Into the light.

However, since I was denied this, I decided at some point to use the night hours and leave the house at times when I could be sure that I would not meet any other people.

In those nights the stars shone brighter than usual, the sky seemed clearer and the air fresher. And yet the world I entered night after night was completely different from the one usually associated with this time of year. The colorful had changed to the monochrome, the friendly to the dark. Even the colors of the flowers and leaves that shined in the glow of the street lights looked unusual, artificial, unnatural. It almost seemed as if the story Rust Cohle was talking about was taking place before my eyes:

The fight of light, colors – beauty, if you will – against obscurity.

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Nevertheless, this „other world“, this „other spring“, which takes place in the dark only, had its own beauty, a kind of ghostly elegance.

That‘s what I tried to capture photographically. In order to take account of the obvious contrast between the natural process of blooming and its artificial appearance, I changed the colors to the extreme. In this sense, LOCKDOWN SPRING NIGHTS is nothing but the attempt to see beauty in the darkness. After all, „True Detective“ ends positively, too.

Marty: “It appears to me that the dark has a lot more territory.”

Rust: “Yeah, you’re right about that.”

As they head to the car, Rust makes one final point to his former partner.

Rust: “You’re looking at it wrong, the sky thing.”

Marty: “How’s that?”

Rust: “Well, once there was only dark. You ask me, the light’s winning.”

To me, somehow, that defines LOCKDOWN SPRING NIGHTS quite well:

The light‘s winning.

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Maya Immaculata