Der Exorzismus

Die Religionslehrerin in der Absamer Volksschule erzählte uns Kindern einmal, sie habe einen Mann beobachtet, der sich während der Heiligen Messe auffällig verhielt. Unruhig sei er gewesen, nicht still sitzen habe er können und schließlich sei er kurz vor der Wandlung eilig aus der Kirche verschwunden. Wenn jemand die Kirche frühzeitig, also vor dem Ende der Messefeier, verlassen würde, könnten wir uns sicher sein, dass derjenige besessen sei, vom Teufel besessen. Uns fuhr die Angst in die Knochen. Ein Besessener! Hier, bei uns! Fortan blickte ich jeden Sonntag in der Kirche verstohlen um mich, ob sich nicht jemand entlarven würde, sah jedoch nie jemanden frühzeitig gehen.

Einige Jahre später, kurz vor der Reifeprüfung, wurde an uns Schülern dann tatsächlich ein Exorzismus vollzogen. Der Franziskanerpater, der uns in Chemie unterrichtet hatte, bestand darauf. Wir erfuhren am Tag vor der schriftlichen Matura davon. Wider Erwarten waren da aber keine sich verdrehenden Köpfe, keine über dem Bett schwebenden Kinderkörper, keine merkwürdigen, alttestamentarischen Sprachkenntnisse. Nichts dergleichen. Der Exorzismus fand in der Kirche statt und stellte sich als eine in Latein abgehaltene Messe heraus. Wir verstanden kein Wort und ließen das Ritual wie jede andere morgendliche Schulmesse über uns ergehen – wir hatten in den Jahren der Gymnasialzeit gelernt, vieles über uns ergehen zu lassen. Zudem waren wir, kaum eine Stunde vor unserer schriftlichen Prüfung, angespannt und hatten anderes im Kopf.

Ob wir zu diesem Zeitpunkt wirklich vom Teufel besessen waren, kann ich nicht sagen. Was ich allerdings mit Sicherheit weiß, ist , dass unser Bedürfnis, die Kirche frühzeitig zu verlassen, groß war.

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Ein neuer Leichnam

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Todesdrohung